umdenkenundglauben.de

Denken hilft zum Glauben. Glauben hilft die Welt zu verstehen.


Jes. 63, 15 – 64,3

(die Predigt entstand im Dezember 2021. Eine neue große Pandemiewelle war gerade im Anrollen. Der Predigttext ist in der Übversetzung „Die Gute Nachricht“ entnommen)

5 HERR, sieh herab von deinem Himmel,

wo du in Heiligkeit und Hoheit thronst!

Wo ist deine brennende Liebe zu uns?

Wo ist deine unvergleichliche Macht?

Hast du kein Erbarmen mehr mit uns?

Wir spüren nichts davon, dass du uns liebst!

16 HERR, du bist doch unser Vater!

Abraham weiß nichts von uns,

auch Jakob kennt uns nicht;

unsere Stammväter können uns nicht helfen.

Aber du, HERR, bist unser wahrer Vater!

»Unser Befreier seit Urzeiten« – das ist dein Name.

17 Warum hast du zugelassen,

dass wir von deinem Weg abwichen?

Warum hast du uns so starrsinnig gemacht,

dass wir dir nicht mehr gehorchten?

Wende dich uns wieder zu!

Wir sind doch deine Diener,

wir sind doch das Volk, das dir gehört!

18 Es war nur für eine kurze Zeit,

dass wir das Land besitzen durften;

nun ist dein Heiligtum von den Feinden entweiht.

19 Es ist, als wärst du nie unser Herrscher gewesen,

und als wären wir nicht das Volk,

das du zu deinem Eigentum erklärt hast.

Reiß doch den Himmel auf und komm herab,

dass die Berge vor dir erbeben!

64, 1 Komm plötzlich,

komm mit großer Macht,

wie die Flammen trockenes Reisig ergreifen

und das Wasser im Kessel zum Sieden bringen!

Deine Feinde sollen erfahren, wer du bist;

die Völker sollen vor Angst vergehen.

2 Vollbringe Taten, die uns staunen lassen

und noch unsere kühnste Erwartung übertreffen!

Komm herab, dass die Berge vor dir erbeben!

3 Noch nie hat man von einem Gott gehört,

der mit dir zu vergleichen wäre;

noch nie hat jemand einen Gott gesehen,

der so gewaltige Dinge tut

für alle, die auf ihn hoffen.

L.G.

was haben Sie für Erwartungen an einen Adventssonntag?

Und an einen Adventsgottesdienst? Soll er adventliche Stimmung schaffen?

Wer Advent als stimmungsvolle Zeit sieht, wird in diesem Gottesdienst nicht so ganz zufriedengestellt werden.

Wer den Advent, als das sieht, was er sein soll, eine Zeit der Hinwendung zu Gott, der wird nachher eher zufrieden sein.

Der Abschnitt aus dem Buch des Propheten Jesaja ist ein aus dem Herzen kommendes Gebet! Es ist kein schönes Gebet. Es ist kein Ausdruck eines schönen innigen religiösen Gefühls. Es ist ein Schreien zu Gott.

Nichts wird beschönigt.

Dieses Gebet drückt aus, was Menschen in Israel empfanden, als die große Katastrophe hereingebrochen war.

In der Klage spiegelt sich die Not, die Verzweiflung wieder.

Aber mehr noch: Auch das eigene Tun wird reflektiert. Die Einsicht keimt auf: Wir haben falsch gehandelt.

Und schließlich steht da die Bitte um Gottes mächtiges Eingreifen.

Davon können Impulse für unser eigenes Beten ausgehen.

Deshalb werde ich heute nicht viel predigen. Dafür aber die Predigt viermal unterbrechen und sie werden die Gelegenheit haben, Gebetsgedanken schriftlich festzuhalten.

„Wo ist deine brennende Liebe zu uns?

Wo ist deine unvergleichliche Macht?

Hast du kein Erbarmen mehr mit uns?

18 Es war nur für eine kurze Zeit,

dass wir das Land besitzen durften;

nun ist dein Heiligtum von den Feinden entweiht.

19 Es ist, als wärst du nie unser Herrscher gewesen,

und als wären wir nicht das Volk,

das du zu deinem Eigentum erklärt hast.“

Die große Gabe, die Israel empfangen hatte, war das Land, in dem sie gut leben könnten. Als sie das verloren, brach für sie eine Welt zusammen und für manch einen auch sein Glaube.

Ist denn dieser Gott noch da? Hat er noch Macht? Hat er noch Interesse an uns? Oder ist alles vorbei?

Damals war das Land weg und damit das Versprechen von Heil, von Leben in Frieden und Wohlergehen.

Dem Beter dieses Gebetes war der Glaube nicht zerbrochen, jedenfalls noch nicht. Aber wir spüren es seinen Worten ab, wie sehr er litt. Am schlimmsten war für ihn, dass Gott in dieser schreienden Not seines Volkes nicht aus seiner Verborgenheit hervortrat. Gott war das Elend seines Volkes scheinbar gleichgültig. Der Himmel schien ihnen verschlossen, taub und teilnahmslos. Inmitten eines verlorenen Volkes beteten sie zu
einem stummen und verborgenen Gott, riefen gegen
diesen verschlossenen Himmel!

Klagen ist uns ja nicht fremd. Oft ist es aber mehr ein Klagen gegen andere.

Gott unser Leid klagen ist nicht jedem geläufig. Muss man nicht schön und fromm beten? Der Gedanke hält sich hartnäckig.

Aber nur ein ehrliches Gebet ist ein wirkliches Gebet.

Wenn uns die Situation, unser Leben, unsere Welt bedrücken, dann darf das vor Gott gebracht werden.

Nehmen Sie doch die bereitliegenden Zettel und Stifte und schreiben Sie in Stichworten oder Sätzen Persönliches oder Weltbewegendes unter die Überschrift

Ich klage dir…

Gebet

Herr wir bringen unsere Klagen vor Dich.

Das Leid dieser Welt

Das Leid in unserem persönlichen Leben.

Unsere Vergänglichkeit.

Krankheit und Tod sind uns immer nahe.

Die Trauer um liebe Menschen.

Wir bringen vor Dich das Elend durch die Pandemie.

Das Leiden und Sterben der Erkrankten.

Die Überbelastung derer, die sich Ihrer annehmen.

Die Zerrissenheit unserer Gesellschaft im Umgang mit der Pandemie

Wir bringen vor Dich:

Das vielfältige Elend in unserer Welt durch Armut, durch Kriege und Bürgerkriege

Die Ungerechtigkeit

Die Unterdrückung von Minderheiten

Wir bringen vor Dich: unsere leidenden Mitgeschöpfe.

Die Bedrohung unserer Lebensräume.

Erbarme Dich über diese Welt.

Amen.

„Wir spüren nichts davon, dass du uns liebst!“

Geht es uns auch so?

Was ist heute weg? Was fehlt uns zum Glücklichsein?

Aber fragen wir doch mal was ist da? Was ist uns gegeben?

In einem Gespräch wurde die Frage gestellt: „Worin spürst Du die Liebe Gottes?“

Während ich noch nachdachte, antwortete ein anderer:

„In allem.“ Und dann folgte eine Aufzählung von nicht Selbstverständlichem in seinem Leben.

Stellen wir uns doch mal diese Frage:

Welche Zeichen der Liebe Gottes sehe ich? Was hat Gott mir Gutes getan? Was tut er mir Gutes?

aufschreiben …

Gebet

Wir danken Dir, dass Du unser Leben geschenkt und erhalten hast.

Wir danken Dir für alle guten Beziehungen zu anderen Menschen.

Wir danken dir für Deine wunderbare Schöpfung und für die Fähigkeiten, sie zu verstehen und unsere Welt mitzugestalten.

Wir danken Dir für die kleinen und großen Freuden in unserem Leben.

Wir danken Dir für Deine Zuwendung zu uns, für alle Erfahrungen Deiner Hilfe und Gegenwart.

Angesichts großer Not kann man nicht »wohltemperiert« beten. Man muss es auch nicht. Im Gespräch mit Gott darf alles ungeschminkt vorkommen. Unser Predigttext bezeugt das:
Da haben Menschen Gott bestürmt, haben diesem verborgenen Gott ihr Leid geklagt, bis hin zu dem für uns
so Ungeheuerlichen, dass sie Gott Vorhaltungen machten: »Wo ist nun dein Eifer und deine Macht?« Sie redeten sehr ungeschützt und ungestüm.

Und doch, er weiß, zu wem er redet. Schauen wir, wie sich der Beter diesem Gott nähert.

15 HERR, sieh herab von deinem Himmel,

wo du in Heiligkeit und Hoheit thronst!

Sie wissen um die Hoheit Gottes. Er ist der Souveräne. Er thront, das heißt, er hat Macht.

Wie anders wird in unserer Zeit oft von Gott geredet. Da erscheint Gott oft als ein Diskussionspartner auf Augenhöhe oder sogar wie ein Untergebener, der jetzt gefälligst mal spuren soll.

Der Beter hat verstanden: Die Probleme, in denen sie stehen haben mit ihrem Tun und Lassen zu tun?

Auf die Klage, dass Gott nicht eingreift, folgen die Sätze:

„17 Warum hast du zugelassen,

dass wir von deinem Weg abwichen?

Warum hast du uns so starrsinnig gemacht,

dass wir dir nicht mehr gehorchten?“

Das sagen Menschen heute ja auch oft: Hätte Gott das nicht einfach so machen können, dass wir Menschen nichts Böses tun können? Mit „wir Menschen“ sind dann meist die anderen gemeint.

Aber er hat uns zum verantwortlichen Handeln aufgefordert und wir müssen uns der Frage stellen:

Wo habe ich Gottes Willen missachtet? Welchen Starrsinn und Ungehorsam will ich bekennen?

aufschreiben…

Gebet

Du sagst uns, was wir tun sollen: Wir sollen dich lieben von ganzem Herzen und unseren Nächsten wie uns selbst.

Wir aber müssen bekennen:

Barmherziger Gott,

wir bekennen, dass wir in Sünde gefangen sind

und uns nicht selbst befreien können.

Wir haben gegen Dich gesündigt,

in Gedanken, Worten und Werken

durch das, was wir getan, und durch das,

was wir unterlassen haben.

Wir haben Dich nicht von ganzem Herzen geliebt,

wir haben unseren Nächsten nicht wie uns selbst geliebt.

Um Deines Sohnes Jesu Christi willen, erbarme Dich unser.

Vergib uns, erneuere uns und leite uns,

dass wir Freude haben an Deinem Willen

und auf Deinen Wegen gehen,

zur Ehre Deines heiligen Namens.

Amen

Der Beter fragt sich, woher Hilfe kommen kann und stellt fest:

Abraham weiß nichts von uns, auch Jakob kennt uns nicht;

Das heißt, unsere Stammväter können uns nicht helfen. Die leben nicht mehr. Die sind nicht mehr da.

Die Tradition, die Geschichte, die hilft nicht im Jetzt.

          (19) Es ist, als wärst du nie unser Herrscher gewesen,

          und als wären wir nicht das Volk,

          das du zu deinem Eigentum erklärt hast.“

Es ist gut, die Geschichte zu kennen und daraus Lehren zu ziehen, aber Hilfe braucht man jetzt. Und die Hilfe, die man früher erfahren hat, reicht nicht für die Gegenwart. Sie kann uns aber lehren, woher wir in der Gegenwart Hilfe erfahren können.

          „Aber du, HERR, bist unser wahrer Vater!“

An ihn wendet sich der Beter.

In der Gesellschaft wird der Zusammenhalt beschworen, aber die Werte, die diesen Zusammenhalt schufen, gelten nicht mehr. An Ihre Stelle ist Vielfalt getreten, die aber auch vielfältige auseinanderstrebende Interessen hervorgebracht hat.

In unserer Kirche werden immer neue Programme der Mangelverwaltung beschlossen und manche auch ausgeführt. Auch unserer Kirche wird nicht die Tradition helfen und es werden auch nicht die Versuche, sich neu zu erfinden, helfen.

Und persönlich: Die Erfahrungen der Vergangenheit können uns stärken, aber sie werden neue Erfahrungen mit Gott nicht ersetzen. Die Durchhilfe von früher kann uns den Blick öffnen, dass Hilfe möglich ist. Aber die Hilfe muss uns neu erreichen.

Wahrnehmen was nicht helfen kann, lenkt den Blick:

„Auf den, der helfen kann, bei dem nie was verloren“ (EG 346)

HERR, du bist doch unser Vater, ruft der Beter.

In ihm keimt die Hoffnung: Es muss die Beziehung doch zu retten sein!

Gott muss sich doch bewegen lassen!

Und die Menschen müssen sich doch bewegen lassen, dass sie umkehren zu Gerechtigkeit und Liebe zueinander. Sie müssen wieder Vertrauen finden in den Gott, der allein Leben ermöglicht!

Sie müssen umkehren von ihrer Anbetung von Macht, Gewalt und Maßlosigkeit.

„Wende dich uns wieder zu!

Wir sind doch deine Diener,

wir sind doch das Volk, das dir gehört!

Reiß doch den Himmel auf und komm herab,

dass die Berge vor dir erbeben!

64,1 Komm plötzlich,

komm mit großer Macht,

wie die Flammen trockenes Reisig ergreifen

und das Wasser im Kessel zum Sieden bringen!

Deine Feinde sollen erfahren, wer du bist;

die Völker sollen vor Angst vergehen.

2 Vollbringe Taten, die uns staunen lassen

und noch unsere kühnste Erwartung übertreffen!

Komm herab, dass die Berge vor dir erbeben!“

Das ist sein Herzenswunsch.

Welche Veränderung möchte ich von Gott erbitten? Was soll er mit Macht ändern?

aufschreiben …

Gebet

Herr, komm du zu den Trauernden, richte sie auf, richte Ihren Blick auf Deine Ewigkeit.

Wende das Unheil der Pandemie von uns ab.

Führe Du aber auch ins Nachdenken und raus aus Oberflächlichkeit und dem Leben für den Augenblick.

Wir bitten Dich, komm mit Deinem Geist und bewege Menschen zur Umkehr, weg von Gleichgültigkeit und Unglauben zu Vertrauen und Liebe.

Stoppe das Wüten böser Machthaber.

Wehre dem Hass von Einzelnen und Gruppen gegeneinander.

Schaffe Gerechtigkeit und bewege Menschen zum Tun des Guten, damit alle ohne Not leben können.

Erhalte die Lebensbedingungen auf der Erde.

Ändere die Herzen der Menschen, dass sie nicht länger für Vergängliches leben.

„Erbarme Dich über diese Welt.

denn noch nie hat man von einem Gott gehört,

der mit dir zu vergleichen wäre;

noch nie hat jemand einen Gott gesehen,

der so gewaltige Dinge tut

für alle, die auf ihn hoffen.“

Und der Beter hatte ja recht damit! Die furchtbare Not damals war nicht das Ende der Geschichte Gottes mit seinem Volk! Gott sorgte in seiner Treue dafür, dass sein Volk auch in dieser Katastrophe nicht unterging. Diese Geschichte des Volkes Gottes durch die Zeiten hat auch eine Botschaft für uns: Der, der über Jahrtausende hinweg seinem Volk die Treue gehalten hat, sollte der uns gegenüber weniger treu sein?

Wir wissen, über die Erkenntnis des Beters von damals hinaus: Gott ist nicht im Himmel geblieben. Er ist in Jesus gekommen und wird, wenn Jesus wiederkommt alles Leid beenden und alles erneuern. Und schon jetzt ist es ein Unterschied, ob man in Not mit oder ohne Jesus ist.

Die Adventszeit ist eben nicht nur eine Zeit der
Vorbereitung und Vorfreude auf Weihnachten. Vielmehr erinnert der 2. Adventssonntag jedes Jahr an den noch ausstehenden großen Advent unseres Herrn Jesus Christus. Gottes Wort legt auch uns diese sehnsuchtsvolle Bitte auf die Lippen: „Reiß doch den Himmel auf und komm herab.“

Amen.