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Schlagwort: Strategieapier

  • Liebe Amerikaner,

    es macht mich traurig, dass ich diesen Brief schreiben muss.

    Viele Jahre waren wir gute Freunde. Ihr habt geholfen, den Zweiten Weltkrieg zu beenden und uns von der Diktatur zu befreien. Ihr habt uns dann in kluger Weise die Demokratie gebracht und uns geholfen, in den ganz schwierigen Zeiten nach dem Zweiten Weltkrieg. Wir waren begeistert von Euch und haben vieles übernommen, was Ihr kanntet und hattet. Wir hörten Eure Musik, wir begannen, Kaugummi zu kauen, wir tranken Cola in großen Mengen, wir schauten Eure Filme, wir übernahmen viele Wörter aus eurer Sprache. Vieles andere könnte ich noch aufzählen.

    Wir fanden Euer Land groß und großartig und Ihr wart uns in vielem Vorbild.

                   Ja, wir merkten auch, dass da nicht alles richtig ist. Da wurden auch Kriege geführt, die nicht gerecht waren. Manche Regierungen in anderen Ländern wurden mit Eurer Beihilfe gegen den Willen der dortigen Mehrheit der Bevölkerung gestürzt. Wir haben Euch vieles nachgesehen. Als Ihr angegriffen wurdet, zogen wir mit in den Krieg nach Afghanistan.

                   Wir haben über manche seltsamen Dinge hinweggesehen. Dass Ihr eines der wenigen hoch entwickelten Länder seid, in dem es keine Krankenversicherung für alle gibt? Schwer zu verstehen! Dass, so scheint es uns jedenfalls, jeder Schusswaffen zu Hause liegen hat und dass unzählige Menschen mit diesen Schusswaffen getötet werden? Wir setzen da eher darauf, dass die Polizei uns beschützt und fühlen uns dabei eigentlich ganz wohl und sicher. Dass es in Eurem Land, das so reich ist, noch größere Unterschiede zwischen Arm und Reich gibt, als bei uns und sonst wo in Europa, das ist schwer zu verstehen. Aber in euren Filmen gewinnt man eher den Eindruck, dass die meisten von euch ziemlich wohlhabend sind. So schien uns das, nicht so schlimm zu sein.

                   So hielten wir euer Land für ein großartiges Land. Dann aber kam ein Präsidentschaftskandidat und sagte, er müsse dieses Land wieder „great again“ machen. Hatten wir was verpasst? Er sagte auch, dass wir Europäer die USA ausgebeutet hätten. Meinte er, dass wir zu viel bei euch eingekauft haben? Ja, ich habe schon viel Geld ausgegeben für Waren und Dienstleistungen (Microsoft, Google, Amazon…!) aus den USA. Habe ich Euch das weggekauft? Wir erschraken! Waren wir so schlechte Freunde?

                   Aber seitdem ist ja noch eine ganze Menge mehr passiert. Viele Lügen über uns wurden verbreitet.

    Es gebe bei uns keine Meinungsfreiheit. Die Demokratie sei bei uns in Gefahr. Und die Einwanderung sei ein Riesenproblem, das uns vernichtet. Hhm? Seid Ihr und Eure Vorfahren nicht fast alle Einwanderer gewesen?

                   Ja, und jetzt hat dieser Präsident sinngemäß geschrieben, dass er lieber gute Beziehungen mit Russland unterhalten will. Dort herrscht ein Diktator, der sein Nachbarland brutal überfallen hat.

    Und heute lese ich, dass wenn man in euer Land einreisen will, man seine Socialmediaaccounts und seine Telefonnummern der letzten 10 Jahre offenlegen muss. Geht man so mit Freunden um?

    Ist das nun nur Euer Präsident, der solches sagt und macht? Nein, Ihr habt ihn gewählt. Weder Euer oberstes Gericht noch das Parlament haben ihn gestoppt. Es scheint uns ziemlich deutlich zu sein: Die Mehrheit von euch will das so.

                   Schade, dass Ihr nicht mehr unsere Freunde sein wollt!

    Wir machen uns Sorgen um die Demokratie bei euch.

                   Verständlicherweise werden wir manches nicht mehr bei Euch einkaufen. Viele Waffen zum Beispiel, können wir ja nicht mehr kaufen. Wir wissen ja nicht, ob Ihr sie im Ernstfall nicht einfach abschalten würdet. Und all die Produkte von den großen Tech-Konzernen! Von Freunden abhängig zu sein, ist nicht schlimm. Von Menschen, die einem nicht mehr Freund sein wollen, abhängig zu sein, ist gefährlich. Wir werden einige Einschränkungen erleben, wir werden eigenes entwickeln müssen, aber letztlich müssen wir auf eigenen Beinen stehen und werden das auch tun.

    Mit traurigen Grüßen

    Volker Glaser